Im Kombinierten Verkehr werden die Stärken der beiden Verkehrsträger Strasse und Schiene wesensgerecht eingesetzt. Die Bahn übernimmt den Transport über lange Strecken und der Lastwagen macht die Feinverteilung zu den Kunden. Ein deutscher und ein französischer Hersteller treten mit einem neuen Produkt auf den Markt, das diese beiden Vorteile vereint. Die Grundidee ist der Verlad von Sattelauflieger auf die Bahn mit wenig Infrastruktur.

Die Nachfrage nach Gütern wird in Zukunft weiterhin steigen. Mehrere Studien prognostizieren ein deutliches Wachstum. Je nach Szenario werde die Gesamtverkehrsleistung, gerechnet in Tonnenkilometer (Tkm), in der Schweiz von Strasse und Schiene um +32% bis +78% ansteigen. Ein Vergleich mit Deutschland und Österreich zeigt ähnlich Zahlen. Gemäss der Studie "Terminal Study on the Freight Corridor", welche die Entwicklung in den Terminals untersucht, werden die Umschläge in den Güterterminals auf dem TEN 24 Korridor (Eisenbahnverbindung zwischen Rotterdam und Genua) um 173% zunehmen. Doch das Wachstum im Güterverkehr bringt auch einige unerwünschte Begleiterscheinungen mit sich. Kapazitätsengpässe auf hochfrequentierten Achsen, höhere Umweltbelastung durch den CO2-Ausstoss und Lärm. Senken lassen sich diese Werte durch Bündelung der Ware, wie es im Kombinierten Verkehr geschieht. Die Sattelauflieger, welche im Binnenverkehr in Europa viel zum Einsatz kommen, werden im konventionellen Kombiverkehr hauptsächlich vertikal verladen. Das heisst, dass die Transportgefässe mittels Portalkran oder Stapler auf ein anderes Transportmittels umgeladen werden. Folglich müssen die Transportgefässe mit speziellen Greifvorrichtungen ausgestattet sein. Im europäischen Binnenverkehr ist der Sattelauflieger das bevorzugte Transportgefäss, jedoch verkehren nur ungefähr zwei Prozent der Sattelauflieger mit dieser Zusatzausrüstung.

Schnell und einfach

Um das System für die Speditionen offener zu gestalten, haben sich ein deutscher und ein französischer Hersteller daran gemacht, dieses Problem zu lösen. Beide Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, ein Produkt zu entwickeln, welches einen Verlad der Sattelauflieger ohne Kranen ermöglicht. So wird beim sogenannten Horizontalverlad das Transportgefäss nicht angehoben, sondern auf die Bahnwagen gefahren. Es sind keine teuren Portalkrane nötig, und die Sattelauflieger brauchen keine Greifvorrichtungen. Durch den horizontalen Verlad können laut Weidmann, Vorstandsvorsitzender der Firma Cargobeamer AG, alle Beteiligten profitieren: "(...) der Spediteur, dessen Auflieger schneller umgeschlagen werden, die Bahnen, die die Standzeiten ihrer Wagen und Lokomotiven drastisch verringern können, und die Terminalbetreiber, die mehr Züge abfertigen können." Im Prinzip arbeiten beide Systeme gleich.

Der Lastwagen fährt mit dem Auflieger auf Wagenaufsätze, die Auflieger werden abgesattelt, die Zugmaschine fährt weg, und die Wagenaufsätze werden automatisch auf die Wagen des Zuges verschoben. Beim System Cargobeamer werden die Wagenaufsätze ganz vom Wagen des Zuges gefahren und der LKW fährt parallel zum Bahnwagen auf den Aufsatz (siehe Abb. 2). Das Modalohrsystem hingegen lässt die Wanne auf dem Bahnwagen. Zum Verlad werden die Wannen um 30 Grad gedreht, so dass der LKW auffahren kann (siehe Abb. 3). Beide Techniken haben zur Folge, dass beim horizontalen Verladen höhere Investitionskosten für die Bahnwagen entstehen, weil diese speziell dafür ausgerüstet sein müssen. Jedoch können Kosten bei der Umschlagsanlage eingespart werden. Cargobeamer hat hier Vorteile gegenüber Modalohr und dem konventionellen Kombiverkehr. Das System weist die tiefsten Investitionskosten und den kleinsten Flächenbedarf für das Terminal auf. Im Vergleich zum vertikalen Kombiverkehr können beide neuen Systeme vor allem auch beim automatisierten und schnellen Umschlag glänzen. Damit dieser Vorteil zum Tragen kommt, müssen jedoch kurze Zugfolgezeiten gewährt werden.

Vorteile für die Neuen

Sowohl Modalohr als auch Cargobeamer können mit weiteren Vorteilen überzeugen. Die tiefliegenden Wagenböden bei den überarbeiteten Modalohrwagen können den Verlad von Aufliegern mit 4 m Höhe ermöglichen. Dieser Vorteil ist wichtig, weil die Speditionen immer mehr in solche Megatrailer investieren. Auch das deutsche System weiss mit intelligenten Lösungen zu überzeugen. Es wird möglich, die Zeit für den Wechsel von europäischer Nor malspur (Spurbreite 1435mm) auf russische Breitspur (Spurbreite 1520mm) deutlich zu reduzieren.

Ein Umlad eines Zuges mit 30 Wagen dauert mit der neuen Technik von Cargobeamer bloss 15 Minuten. Dieser Vorteil soll nun genutzt werden. Die EU unterstützt im Rahmen des Programms Marco-Polo eine Pilotstrecke von Rotterdam nach Riga, welche 2014 in Betrieb gehen soll. Die Entwickler von Modalohr können auf eine längere Praxiserfahrung zurückgreifen.

Seit 2003 fahren Shuttlezüge auf der Versuchsstrecke zwischen Aiton (Frankreich) und Orbassano (Italien). Nach der positiven Erfahrung wurde im Juni 2007 eine zweite Verbindung eröffnet, welche nun den Güterverkehr auf der Strasse von Perpignan (Frankreich) und Bettembourg (Luxemburg) entlasten soll.

Die beiden neuen Systeme können also durchaus mit interessanten Vorteilen auf sich aufmerksam machen. Klar ist aber auch, dass sie Investitionskosten auslösen und sich im Markt etablieren müssen. Auch müssen noch technische und betriebliche Hürden genommen werden, beispielsweise die Zulassung der Modalohrwagen auf weiteren Strecken in Europa durch den internationalen Eisenbahnverband (UIC) oder die Integration der Shuttelzüge in das stark belastete Streckennetz der Bahn. So erstaunt es nicht, dass Betreiber von konventionellen Verladesystemen Vorbehalte anmelden. Die neuen Systeme müssen sich zuerst in der Praxis bewähren und mit dem bestehenden System kompatibel sein. In Anbetracht dessen, dass die Terminalbetreiber hohe Investitionskosten haben, ist diese Einschätzung verständlich. Eine Chance werden die neuen Systeme sicherlich haben, wenn sie ihre Vorteile gezielt ausspielen.

Sei es das 4m-Profil bei Modalohr oder der schnelle Wechsel von Normal- auf Breitspur beim Cargobeamer. So sollten diese neuen Systeme nicht in erster Linie als Konkurrenten gesehen werden, sondern als wichtige Ergänzung zum konventionellen Kombiverkehr. Klar ist, dass das Wachstum im Güterverkehr in den nächsten 20 Jahren nicht ohne innovative Lösungen bewältigt werden kann.

Autoren: Christoph Barmet, Michael Feuz, Tobias Keller