Ein gelungener Kraftakt: Diese erste Bilanz zieht die Kasseler Verkehrs-Gesellschaft AG (KVG) nach dem Ende des zehntägigen Hessentages am vorigen Sonntag. Das Landesfest, das am 14. Juni begonnen hatte, brach mit mehr als 1,8 Millionen Gästen alle bisherigen Besucherrekorde. Weitere Erkenntnis: Überdurchschnittlich viele von ihnen, nach ersten Schätzungen rund eine Million, reisten mit öffentlichen Verkehrsmitteln an, und davon mehr als 66 Prozent mit Bussen und Bahnen der KVG.
Kassel brach alle Rekorde. So viele Menschen wie nie besuchten diesen 53. Hessentag, der in der nördlichsten Großstadt des Landes stattfand, und mehr als je zuvor fuhren mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Aufgrund der Erfahrungen voriger Landesfeste würden etwa 40 Prozent der Besucher den ÖPNV nutzen, hieß es in den Prognosen.
In der Praxis aber entschied sich nach Angaben der Stadt Kassel im Schnitt jeder zweite für den öffentlichen Nahverkehr. Von diesen fast eine Million Fahrgästen wählte an jedem dieser Tage mehr als 66.000 die KVG. Besonders beliebt waren die beiden Schuttlebuslinien H1 und H2: Mehr als jeder dritte Hessentagsbesucher oder rund 600.000 Gäste nutzten diese Busse für ihre Fahrten zwischen den Standorten. Damit fuhren mehr als 1,2 Millionen Menschen zusätzlich während des Hessentages in den Bussen und Bahnen. Oder anders: Die KVG beförderte doppelt so viele Fahrgäste wie sonst.
„Ohne die Einsatzbereitschaft unserer Mitarbeiter wäre dies nicht zu bewältigen gewesen", sagt KVG-Vorstandsvorsitzender Andreas Helbig. „Sehr viele von ihnen, gerade im Fahrdienst, die Verkehrsmeister und die Werkstattmitarbeiter, verlängerten Dienste oder verzichteten auf freie Tage, um ihre bereits eingeplanten Kollegen zu unterstützen."
„Unser Verkehrskonzept hat sich bewährt. Die Feuertaufe für künftige Großveranstaltungen haben wir bestanden", lautet deshalb Helbigs Fazit. Neben dem passenden Fahrangebot war ein weiterer Grund für den hohen Zuspruch das KombiTicket. So gut wie jeder Besucher einer Veranstaltung konnte mit Bussen, Straßenbahnen, RegioTrams und Nahverkehrszügen im NVV-Gebiet fahren, ohne einen zusätzlichen Fahrschein lösen zu müssen. „Im Ergebnis fiel es den Hessentagsbesuchern leicht, auf ihre Autofahrt nach Kassel zu verzichten. Die Folge für die Stadt: Kaum Pkw-Staus und wenig Umweltbelastung."
Steigende Fahrgastzahlen der KVG seit Jahren deuteten darauf hin, dass der öffentliche Nahverkehr zunehmend als selbstverständliche Art des Reisens angenommen wird. „Das gilt umso mehr bei Veranstaltungen. Das Fahren mit Bus und Bahn erspart Fahr- und Parkplatzsuchstress und erlaubt es, ausgelassener zu feiern." Im Jahr 2012 verzeichnete die KVG rund 43,4 Millionen Fahrgäste (2011: 42,8 Millionen). Andreas Helbig: „Diese stetig steigenden Zahlen zeigen, wie wichtig ein guter Nahverkehr im täglichen Leben der Stadt
Kassel ist. Umso wichtiger ist, dass er auch gut funktionieren kann, wenn er stärker beansprucht wird. Eine Stadt, die sympathische Gastgeberin für viele Besucher sein möchte, braucht einen starken öffentlichen Nahverkehr."
Das Hessentagskonzept auf die Beine zu stellen, war für die KVG eine gewaltige Aufgabe. Mehrere Monate lang hatten Mitarbeiter aller Unternehmensbereiche daran gefeilt. Alle sieben Straßenbahn- und die vier RegioTram-Linien fuhren von Montag bis Samstag von Betriebsbeginn bis 20.00 Uhr im 15 Minuten-Takt und sonntags jede halbe Stunde. Auch die Buslinien waren häufiger unterwegs. Die Betriebszeit wurde in beiden Systemen täglich bis gegen 1.00 Uhr und somit mehr als eine Stunde verlängert. In der Nacht vom 22. auf den 23. Juni fuhren Busse und Bahnen bis morgens gegen 2.15 Uhr. Zwei kostenlose Shuttlelinien, H1 und H2, pendelten täglich von 9.30 Uhr an zwischen dem Auestadion und der Rothenbachhalle oder der Orangerie und banden zugleich die zahlreichen Parkplätze am BuGa-Gelände an.
Eine Herausforderung für das Unternehmen war vor allem die Sperrung der Königsstraße für den Tramverkehr. In der Folge wurden alle Bahnen und RegioTrams über
den Scheidemannplatz umgeleitet. In der Spitze fuhren hier bis zu 96 Schienenfahrzeuge je Stunde. Aufgrund der Reservierung dieses Bereichs für diesen Verkehr mussten die Buslinien davon weg und über den Lutherplatz gelenkt werden. Derart umfangreiche Umleitungen beider Fahrzeugsysteme waren für die KVG bis dahin neu.
Bisher unbekannte Dimensionen
Neu waren auch alle weiteren Dimensionen. Im Auestadion gingen an diesen zehn Tagen acht Großveranstaltungen über die Bühne, zwei von ihnen mit etwa 30.000 verkauften Karten und die weiteren sechs mit im Schnitt deutlich mehr als 14.000 Besuchern. Parallel gastierten in der Rothenbachhalle Konzerte mit mehreren tausend Fans, hinzu kamen Veranstaltungen in der Innenstadt. Bereits im Vorfeld wurden deshalb alle RegioTrams, die mehr Fahrgäste als eine Straßenbahn befördern können, nach ihrer Ankunft im Hauptbahnhof Kassel zur Haltestelle Auestadion umgeleitet. Hier wurden außerdem die aus der Innenstadt kommenden Busse und Trams mit den beiden Shuttlebuslinien verknüpft.
Mit Blick auf den Hessentag hatte die KVG ihr Fahrpersonal deutlich verstärkt. Über das 376 Mitarbeiter starke Tram- und Busfahrerteam hinaus wurden Beschäftigte mit Fahrlizenz aus anderen KVG-Bereichen von ihren ursprünglichen Aufgaben freigestellt. Dies galt auch für Mitarbeiter von KVG-Schwesterunternehmen, darunter den Städtischen Werken, der Netz + Service GmbH und den Bäderbetrieben. Auf den Linien H1 und H2 fuhren darüber hinaus zehn Busfahrer von Verkehrsunternehmen aus Hannover, Fulda und Leipzig. Um die 70 KVG-Busse zu ergänzen, brachten sie vier Busse mit, und die Stadtwerke Osnabrück schickten zwei 23 m lange Buszüge auf die Reise.
Der Plan war gut, doch: Grau ist jede Theorie. Gerade an den Wochenenden musste die KVG häufig davon abweichen und reagierte flexibel. Sobald sich ein Engpass abzeichnete, orderte die eigens eingerichtete Hessentagsleitstelle im Auestadion zusätzliche Fahrzeuge auf Linien oder Kurse.
So schickte die KVG am ersten Hessentags-Sonntag 29 Bahnen verstärkend auf drei Linien und fünf weitere Busse auf die Shuttlelinien H1 und H2. Diese beiden wurden so gut angenommen, dass die Kapazität durchgängig um rund 50 Prozent erweitert werden musste. Darüber hinaus fuhren zu den bereits eingeteilten Mitarbeitern rund 30 außerplanmäßig die Trams und Busse. Sie kamen aus ihrer regulären Freizeit und auch Verkehrsmeister, die ursprünglich für den Dienst am Auestadion vorgesehen waren, wechselten spontan in den Fahrbetrieb.
Um den absehbaren weiteren Ansturm zum Hessentags-Abschlusswochenende bewältigen zu können, beauftragte die KVG kurz zuvor noch die Unternehmen Regionalverkehr Kurhessen (RKH) und Hecker Reisen, die weitere Busse und Fahrpersonal nach Kassel schickten. An fast jedem Tag fuhr die KVG praktisch ohne Fahrzeugreserve.
„Diese zehn Tage haben uns enorm gefordert. Aber wir haben gezeigt, was wir können", fasst Andreas Helbig zusammen. Die Fahrgäste hätten sehr positiv reagiert, auch wenn sie gerade nach Großveranstaltungen längere Wartezeiten an den Haltestellen und bis auf den letzten Stehplatz gefüllte Fahrzeuge in Kauf nehmen mussten. „Die vielen freundlichen Worte und Gesten haben unseren Mitarbeitern sehr gut getan. Dafür, und auch für ihre Gelassenheit und Geduld, bedanke ich mich herzlich bei unseren Fahrtgästen."