Logo EVGDie Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat massive Kritik an der fehlerhaften Personalplanung der Verkehrsunternehmen in Deutschland geübt. "Mittlerweile müssen viele Mitarbeiter Millionen von Überstunden leisten, um den Betrieb der Eisenbahnen überhaupt noch aufrecht halten zu können", machte der stellvertretende Vorsitzende der EVG, Klaus-Dieter Hommel, deutlich. Immer häufiger komme es vor, dass S-Bahnen und Regionalzüge wie auch Güterzüge einfach stehen blieben, weil es an Lokführern oder Mitarbeitern im Stellwerk fehle. Die EVG sei nicht gewillt, diesen untragbaren Zustand länger hinzunehmen.

Der Mangel an Mitarbeitern wird sich nach Einschätzung des stellvertretenden EVG-Vorsitzenden in nächster Zeit noch deutlich verschärfen. Das Durchschnittsalter der bei der DB AG Beschäftigten läge derzeit bei 45,9 Jahren; 53 Prozent der Mitarbeiter wären heute schon älter als 50 Jahre. Bei der privaten Konkurrenz sei dieses Problem nicht ganz so gravierend, aber auch hier müssten dringend Konzepte entwickelt werden, um Personalengpässen entgegenzuwirken.

"Nun rächt es sich bitter, dass in den vergangenen Jahren auf Teufel komm heraus einfach nur rationalisiert wurde", stellte der EVG-Vize fest. Niemand habe sich ernsthaft um Nachwuchs gekümmert. Jetzt sei der Markt an Fachkräften häufig leergefegt. Hinzu komme dass die Eisenbahn zwischenzeitlich nicht mehr als attraktiver Arbeitgeber gelte.

"Selbst wenn es der DB AG gelingt, in jedem Jahr 8.000 neue Mitarbeiter einzustellen, gleicht das gerade mal die normale Fluktuation aus", kritisierte Klaus-Dieter Hommel. "Von den gut 6,4 Millionen Überstunden, die die Kolleginnen und Kollegen allein bei der DB AG derzeit vor sich her schieben, ist damit noch keine einzige abgebaut", machte er deutlich. Würde man diese Mehrleistungen in Arbeitszeit umrechnen, ergäbe sich hierfür ein zusätzlicher Bedarf an 4.000 Arbeitskräften.

Für den EVG-Vize ist klar: "Bei den Verkehrsunternehmen gibt es so gut wie keine personellen Reserven mehr; wir fahren hier auf Verschleiß". Zu spüren bekämen dies insbesondere die Zugbegleiter, die immer mehr Serviceaufgaben übernehmen müssten, ohne personell entlastet zu werden, so Hommel.

Die Folgen seien absehbar: durch die hohen Belastungen und die zunehmende Arbeitsverdichtung bei allen Beschäftigten steige der Krankenstand im Unternehmen - die ohnehin vorhandenen Probleme würden dadurch weiter verschärft.

"Vor diesem Hintergrund fordern wir einen spürbaren Wandel in der Unternehmenskultur", machte Klaus-Dieter Hommel deutlich. Es sei an der Zeit, dass die Verkehrsunternehmen in Deutschland wieder attraktive Arbeitgeber würden. Nur so werde es gelingen, Menschen wieder für den Beruf des Eisenbahners zu begeistern.

Dazu gehörten eine angemessene, der großen Verantwortung entsprechende Bezahlung sowie sozialverträgliche Arbeitszeiten. Trotz Schichtdienst dürfe die Familie nicht zu kurz kommen. Und es müssten berufliche Perspektiven sowie Karrierechancen aufgezeigt werden - auch für Mitarbeiter, die im Laufe ihres Berufslebens mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen haben. All dies verhandele die EVG derzeit mit der DB AG im Zukunft-Tarifvertrag. Der könne Maßstab für eine entsprechende Vereinbarung auch mit deren privaten Konkurrenz werden.

"Wer mehr Verkehr auf der Schiene will, braucht mehr und nicht weniger, vor allem aber motivierte Mitarbeiter", stellte Klaus-Dieter Hommel fest. Die EVG fordere deshalb mit Nachdruck ein deutlich ernsthafteres Bemühen, den absehbaren Personalengpässen schnellstmöglich entgegen zu wirken. "Wir erwarten von den Verkehrsunternehmen endlich tragfähige Konzepte und nicht nur Lippenbekenntnisse", machte der EVG-Vize deutlich. "Wo es brennt und wo akuter Handlungsbedarf besteht, können wir als basisnahe Gewerkschaft jederzeit deutlich machen, falls es den Arbeitgebern an Überblick mangelt", so Hommel.