Eine Verfassungsnorm für den Binnen-, Import- und Exportverkehr auf der Schiene analog dem Transitverkehr, die Gleichbehandlung von Wagenladungsverkehr und Kombiniertem Verkehr, die Stärkung der jeweiligen komparativen Vorteile Strasse – Schiene, Netznutzungspläne zur Sicherung und Verbesserung der Gütertrassen, eine koordinierte Planung der güterverkehrsspezifischen Infrastruktur sowie der Einbezug der Verladerbranche in die strategische Netzplanung gehören zu den wichtigsten Anliegen der Vertreter von über 300 Unternehmungen der Verladerwirtschaft, welche sich in Zürich zu ihrem jährlichen Verkehrsforum des VAP Verband der verladenden Wirtschaft getroffen haben. Aber auch eine verstärkte Raumplanung für die regionale Förderung, einen stufenweisen Abbau der Betriebsabgeltungen, eine befristete Anschubfinanzierung für neue Bedienpunkte und die Innovationsförderung stellen die Verlader in den Mittelpunkt der Förderung eines wesensgerechten Güterverkehrs auf der Schiene. Sie liessen sich am VAP-Verkehrsforum zudem durch inund ausländische Referenten über den neusten Stand der Technik im Güterverkehr informieren.

Zu Beginn der VAP-Tagung informierte der Generalsekretär des VAP*, Frank Furrer, die zahlreich anwesenden Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Medien über den aktuellen Stand bezüglich der Behandlung der Motion der Eidgenössischen Räte über die Förderung des schweizerischen Schienengüterverkehrs in der Fläche. Das Parlament hat bekanntlich den Bundesrat damit beauftragt, diesbezüglich eine Gesamtkonzeption für Schiene-Strasse- Schifffahrt vorzulegen. Dabei sollen Anreize und Innovationen eine wichtige Rolle spielen. 24 Prozent des Binnengüterverkehrs würden heute auf der Bahn abgewickelt. Im Import- und Exportverkehr seien es 16 Prozent. Über 80 Prozent des Bahngüterverkehrs läuft über Anschlussgleise, unterstrich Furrer in seinen Ausführungen. Im Binnen-, Import- und Exportverkehr dominiere der Wagenladungsverkehr. Der Kombinierte Verkehr (KV) spiele gegenüber dem Wagenladungsverkehr (WLV) noch eine marginale Rolle. Im Transitverkehr hingegen sei das Verhältnis zwei Drittel Kombinierter Verkehr und ein Drittel Wagenladungsverkehr, was die Auswirkungen der unterschiedlichen staatlichen Förderung widerspiegle. Zu den Ansätzen des Bundesamtes für Verkehr (BAV) gehören gemäss den Ausführungen des VAP-Generalsekretärs unter anderem das wichtige Kriterium der Eigenwirtschaftlichkeit ohne Betriebsabgeltungen, die Gleichbehandlung von WLV und KV sowie die Berücksichtigung der komparativen Vorteile Strasse – Schiene. Den Netznutzungsplänen zur Sicherung und Verbesserung der Gütertrassen komme eine hohe Bedeutung zu. Auch die koordinierte Planung der güterverkehrsspezifischen Infrastruktur sowie der Einbezug der Verladerbranche in die strategische Netzplanung spielten eine entscheidende Rolle, sagte Furrer. Bei der finanziellen Förderung stellte Furrer am VAP-Forum vor allem den stufenweisen Abbau der Betriebsabgeltungen, die befristete Anschubfinanzierung für neue Bedienpunkte und die Innovationsförderung in den Mittelpunkt. Wichtige Säulen bei der Förderung des Schienengüterverkehrs sei eine Verfassungsnorm für den Binnengüterverkehr analog dem Transitverkehr, eine verstärkte Raumplanung für die regionale Förderung, flankierende Massnahmen im Transformationsprozess und eine Verstärkung der Rolle des Regulators.

Kombinierter Verkehr versus konventionellen Verkehr? Dieser Frage waren die Ausführungen von Luigi Häfliger, Fiege Logistik Schweiz AG, gewidmet. Der kombinierte Verkehr sei ein ebenso wichtiges Segment im Schienengüterverkehr wie der Wagenladungsverkehr oder der konventionelle Bahngüterverkehr. Letzterer habe vor allem im Osten ein grosses Wachstumspotential. Beide seien geeignet, intermodale Logistikketten effizient abzuwickeln. Vor dem Hintergrund der knappen Ressourcen in der Trasseninfrastruktur gelte es, die jeweils effizienteste Transportlösung zu berücksichtigen. Es stelle sich die Frage, wieso nicht auch 44 Tonnen Totalgewicht im Vor- und Nachlauf des Wagenladungsverkehrs angewendet werden könne. Massnahmen zur Förderung der Güterverlagerung Strasse zu Schiene müssten verhältnismässig, längerfristig marktkonform und nicht diskriminierend sein. Unter den Förderungsmassnahmen stellte Häfliger in erster Linie Umschlagsverkehre des unbegleiteten kombinierten Verkehrs und des Wagenladungsverkehrs über grosse Distanzen in den Mittelpunkt. Der Referent verwies auch auf die unterschiedlichen Elemente der Preisgestaltung beim Wagenladungsverkehr (WLV) und dem kombinierten Verkehr (UKV). Für den WLV gebe es praktisch keine Einsatzgrenze. Mehr oder weniger jeder Ort in Europa könne direkt oder indirekt via einen Terminal/Umschlag bedient werden. Der UKV-Verkehr sei selektiv und konzentriere sich aus Rentabilitätsgründen hauptsächlich auf der Achse Nord/Süd und vice versa inkl. Hafenanbindungen. Häfliger zeigt in seinem Referat Beispiele von realisierten und erfolgreichen Wagenladungskonzepten im Ganzzug auf europäischer Ebene. Die Gleichbehandlung von UKV und WLV sei eine wichtige Voraussetzung für einen wirtschaftlichen und erfolgreichen Güterverkehr und eine Verlagerung von der Strasse auf die Schiene. Häfliger abschliessend: „Beide Verkehrsträger haben in Zukunft eine hohe Marktnachfrage". Ghislain de Rugy, SNCF Fret, Directeur de l'entité MLMC (Multi-Lots, Multi-Clients), Paris, stellte an der VAP Tagung das Angebot von massgeschneiderten Schienentransportlösungen in Frankreich und Europa im Wagenladungsverkehr vor. Mit 10'000 Mitarbeitenden, 1,24 Milliarden Euro Umsatz und einem Marktanteil von 75 Prozent am französischen Bahntransport gehört seine Unternehmung zu den grössten Unternehmungen im Güterverkehrsbereich. Zu den Prinzipien des „Multi-lots Multi-clients"-Angebotes (MLMC) – so Rugy - gehörten ein strukturierter Transportplan mit einem Streckennetz, das die wichtigsten Wirtschaftszonen des Landes regelmässig miteinander verbindet führte der Vertreter von SNCF GEODIS aus. Tragende Säulen eines solchen Win-Win-Angebotes seien jährliche Vorausberechnungen und monatliche Bestellungen des Kunden einerseits und Garantie der bestellten Transportaufkommen andererseits. Ferner im Sinne der Gegenseitigkeit ein Bonus/Malus- System bei Überschreitung der Vorausberechnung bzw. bei weniger als 80 Prozent Bestellung bereitgestellter Wagen. Schliesslich seien die Ausrichtung von Entschädigungen durch MLMC und beim Kunden Ausfallentschädigungen für nicht zur Beförderung gegebene vorbestellte Wagen zwingend. Das dergestalt funktionierende Netz umfasse 30 Achsen und 500 Anbindungspunkte im In- und angrenzenden Ausland, führte Rugy aus. Vor 3 Jahren brach in Viareggio/Italien eine Radsatzwelle an einem Kesselwagen. Dieser stürzte und zog weitere Kesselwagen mit sich. Dabei wurde an einem scharfkantigen Gegenstand der Eisenbahninfrastruktur ein Tank aufgerissen, das Gas strömte aus und explodierte. Die Europäische Eisenbahnagentur (ERA), die nationalen Sicherheitsbehörden und der Eisenbahnsektor (Privat- und Staatsbahnen, Wagenhalter und Hersteller), an der VAPTagung vertreten durch den Referenten Peter Danzer, Deutsche Bahn AG, haben daraufhin bei der ERA eine Task Force für Güterwageninstandhaltung eingerichtet, die gemeinsame Lösungen für das europäische Problem zur Erhöhung der Sicherheit des Güterverkehrs auf der Schiene erarbeitet hat. Grundsätzlich sei die Sicherheit der Radsatzwellen in den letzten Jahrzehnten – so die Ausführungen - signifikant und kontinuierlich erhöht worden. 1962 gab es noch fast 3 Wellenbrüche pro Jahr und Milliarde Radsatzkilometer deutscher Eisenbahnen. 2010 waren sie bei Null angelangt. Bei den Arbeiten der Task Force steht an vorderster Front das Sichtprüfungsprogramm EVIC, welches für die europäische Güterwagenflotte einer Sichtprüfung hinsichtlich des Zustandes der Radsatzwellen vorsieht. Mit Stand April 2012 seien insgesamt 854'496 Güterwagen sichtgeprüft und nur 0,137 Prozent aller Radsatzwellen beanstandet worden.. Basierend auf den Ergebnissen sollen jetzt die Massnahmen in EN Normen übertragen werden und die Arbeiten der Task Force abgeschlossen werden.

Francis Parmentier, Technical Manager ECM & Safety Assessment, Belgorail, Brüssel, berichtete am gut besuchten VAP-Forum über die ersten Erfahrungen mit der Zertifizierung der für die Instandhaltung zuständigen ECM-Stellen (Halter/EVU/Werkstätten). Die Europäische Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit (Richtlinie 2004/49/EG) schreibt in Europa eine für die Instandhaltung zuständige Stelle (Entity in Charge of Maintenance - ECM) vor. Die Halter von Eisenbahnfahrzeugen (Private und Staatsbahnen) sind für die Instandhaltung jedes ihrer Eisenbahnfahrzeuge zuständig (ECM). Sie können die Aufgaben der für die Instandhaltung zuständige Stelle (ECM) selber wahrnehmen oder per Vertrag auf einen Dritten übertragen. Die Listen der entsprechenden Stellen sowie die ausgestellten ECM Bescheinigungen werden auf der Webseite der ERA veröffentlicht. Diese Stellen könnten akkreditierte Stellen, anerkannte Stellen oder die nationalen Sicherheitsbehörden selbst sein, die nur auf ihrem Hoheitsgebiet tätig seien, allerdings mit einer europaweiten Gültigkeit des ausgestellten Zertifikats. Die ERA habe mit dem Sektor Verfahren für die Sonderzertifizierungen von ECMs und Werkstätten erarbeitet. Unabhängig von der Auswertung der Unterlagen umfasse jedes Verfahren einen Audit-Teil für das Instandhaltungssystem und einen Prüfungsteil für ausgewählte Prozesse.

Einen Kontrapunkt am VAP-Forum setzte Daniel Wind, Präsident des Schweizer Schutzbundes gegen Eisenbahnlärm (SSB). Er referierte vor dem aufmerksam zuhörenden Fachpublikum aus Wirtschaft und Politik über die Lärmsanierung der Güterwagen aus Sicht der Lärmschutzorganisationen. Die Schweizerische Lärmliga, aus der die SSB hervorgegangen sei, sei 1956 gegründet worden und eine der ersten Umweltschutzorganisationen der Schweiz gewesen. Heute sei ein Revival der Aktivitäten gegen Verkehrslärm feststellbar, unterstrich Wind gleich zu Beginn seiner Ausführungen. Entlang dem Korridor Genua Rotterdam hätten sich die NGOs der jeweiligen Länder vernetzt. Seit 1996 gebe es ein Schutzgrad- Konzept. Im Rahmen der geplanten Revision des Schweizer Bundesgesetzes für die Lärmsanierung der Eisenbahnen (BGLE) werde der Schutzgrad verbessert. Der Schienenlärm verfüge über einen Lärmbonus. Ein 8h-Leq nachts gewähre trotzdem keinen Schutz vor Aufwachreaktionen. Solche sollten vor allem in den frühen Morgenstunden durch Schallschutz vermieden werden. Die Spitzenpegel seien irrelevant. Beim Lärmschutz spiele die Best Available Technology (BAT) eine wichtige Rolle. Dabei lägen die Innovationen namentlich beim Rollmaterial, beim Trassee und bei den Terminals. Wind sieht Handlungsbedarf im Bereich des Verbots von Güterwagen mit Graugussbremsen, beim konsequenten Umsetzen der BAT, beim Schutzstandard insbesondere in der Nacht, um die Schlafzeit der Bevölkerung zu erhöhen und vor allem dürften keine Mittelkürzungen erfolgen, dies insbesondere bei schlecht sanierten Strecken. Transitkorridore müssten nachsaniert werden. Gilles Peterhans, Technischer Koordinator und designierter Generalsekretär der UIP (International Union of Wagon keepers), Brüssel, richtete in seinen Ausführungen den Fokus auf die konkreten Massnahmen zur Lärmsanierung der Güterwagen in Europa und der Schweiz. Die Mitglieder der UIP sind die nationalen Verbände der europäischen Länder der nationalen Vermietgesellschaften, Werkstätten, Verlader etc. 11,8 Mio. Einwohner am Tag und 9 Mio. Einwohner in der Nacht seien in den EU-Ländern von Eisenbahnlärm betroffen.

Acht Mal mehr Menschen seien gemäss EU-Statistiken indessen durch Strassenlärm belästigt. Leider gebe es im EU-Raum keine übergeordnete Strategie zur Lärmbekämpfung. Jedes europäische Land habe seine eigenen Ziele, Strategien und konkreten Massnahmen. Die Konsequenz daraus sei eine Art Teufelskreis von Massnahmen und Auswirkungen, die sich gegenseitig zum Teil neutralisieren, hielt Peterhans fest. An Lösungen zur Lärmminderung fehle es grundsätzlich nicht. Diese reichten von der K-Sohle über die LL-Sohle und Drehgestelle mit Gummifederung bis hin zur Abschirmung von Pantographen, Schienendämpfer und Schallschutzwänden und –fenstern. Die mitteleuropäischen Länder – so der UIP-Referent – hätten aufgrund der dichten Besiedlung mit grösseren Lärmproblemen zu kämpfen als zum Beispiel die osteuropäischen Länder. Die Umrüstung der bestehenden europäischen Güterwagenflotte (rund 370'000) mit Verbundstoff-Bremssohlen hätten sich als die effektivste und wichtigste Massnahme im Sinne der Lärmminderung an der Quelle erwiesen. Peterhans: „Das gemeinsame Ziel, die Bevölkerung vor zunehmendem Lärm zu schützen, ist ein Anliegen der gesamten Branche". Dazu brauche es aber Planungssicherheit für die Wagenhalter und ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Nächstes Jahr würden wichtige Entscheidungen der UIC bezüglich Bremsen und Rädern anstehen und 2014 könnte in den EULändern umfassend mit der Umrüstung begonnen werden, sagte Peterhans abschliessend.