Eine Verfassungsnorm für den Binnen-, Import- und Exportverkehr auf der Schiene analog dem Transitverkehr und dem Personenverkehr, Mitbestimmung der Verlader bei der strategischen Planung der Infrastruktur zur Sicherung der Gütertrassen analog der Kantone bei den Personentrassen, die Gleichbehandlung von Wagenladungsverkehr und Kombiniertem Verkehr, die Stärkung der jeweiligen komparativen Vorteile Strasse – Schiene, eine bessere Kundenorientierung der Eisenbahnen und eine europäische Harmonisierung bei der Lärmsanierung der Eisenbahnen – das sind die wichtigsten Anliegen der Vertreter von über 300 Unternehmungen der Verladerwirtschaft, welche sich zu ihrem jährlichen Verkehrsforum des Verbandes der verladenden Wirtschaft VAP* heute in Zürich getroffen haben und sich über die Situation des Güterverkehrs in der Schweiz und in Europa informieren liessen.

Zu Beginn des VAP-Güterverkehrsforums informierten der Generalsekretär des VAP, Frank Furrer, und Pierre-André Meyrat, Stv. Direktor Bundesamt für Verkehr BAV, die zahlreich anwesenden Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Medien über den aktuellen Stand bezüglich der Totalrevision des Gütertransportgesetzes bzw. der Gesamtkonzeption zur Förderung des Schienengüterverkehrs in der Fläche sowie die Beratungen der eidgenössischen Räte betreffend Vorlage zur Finanzierung und Ausbau der Eisenbahninfrastruktur FABI. Meyrat orientierte die Verladerwirtschaft über den aktuellen Stand der Schaffung von Europäischen Güterverkehrskorridoren ab Fahrplan 2015 mit One Stop Shops für die Trassenbestellung. Ausgangspunkte für die Vorlage für eine Gesamtkonzeption zur Förderung des Schienengüterverkehrs in der Fläche, die sich derzeit in der Vernehmlassung befindet, waren unter anderem die fehlende Planungssicherheit für die Verlader, nicht genügend gute Trassen für den Güterverkehr, wenig Innovationen und die anhaltenden Defizite bei SBB Cargo mit hohem Verzehr von Eigenkapital. Mit der Totalrevision des Gütertransportgesetzes – so Meyrat - will der Bund auf die Bedürfnisse der verladenden Wirtschaft eingehen, Trassen für den Güterverkehr sichern, die Versorgung von Berg- und anderen peripheren Regionen sicherstellen, die Förderung generell vereinheitlichen, das Zusammenwirken der Verkehrsträger verbessern und einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Güterverkehrsanlagen ermöglichen. Geplant ist ein Systemfahrplan, welcher langfristige und verbindliche Angebotsplanungen ermöglicht. Auch sollen die Verlader bei der Entwicklung des Netznutzungskonzeptes und der Netznutzungspläne miteinbezogen werden. Die Förderung von Investitionen in UKV-Terminals und private Anschlussgleise soll nur noch über A-fonds-perdu- Beiträge geschehen und zwar bis 60 bis 80 Prozent der Investitionskosten. Vorgesehen sind Betriebsbeiträge an Bestellungen der Kantone von nicht eigenwirtschaftlichen Leistungen im Schienengüterverkehr. Die heutigen Betriebsbeiträge an den Einzelwagenladungsverkehr und den kombinierten Verkehr sollen demgegenüber weiter abgebaut werden und wegfallen. Für neue Angebote des Schienengüterverkehrs sind befristete Betriebsbeiträge geplant. Für SBB Cargo AG soll künftig die Kann-Vorschrift für das Angebot von Güterverkehrsleistungen gelten. Hingegen bedürfe die Einstellung des Angebots im Einzelwagenladungsverkehr – so Meyrat - der Zustimmung der Generalversammlung (Bundesrat).

Über den Stand und die Rahmenbedingungen des Wagenladungsverkehrs in Österreich sprach Frank Petutschnig, Generalsekretär des Verbandes der Privatgüterwagen-Interessenten VPI, Wien. Die Güterverkehrsunternehmen hätten einen Marktanteil von über 80 Prozent am Wagenladungsverkehr. Einzelwagen und Ganzzüge hielten sich etwa die Waage. Die Verladestellen seien von 540 auf 420 reduziert worden, was zu zusätzlichen LKW-Fahrten geführt habe. Nun sei ein Beihilfeprogramm des Bundes in die Wege geleitet worden, damit bis 2015 40 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene sind. Dabei stehe ein Fördertarif im Vordergrund, differenziert nach Inlands-, Import- oder Exportfahrten. Es gelte auch, die Zusammenarbeit und Kooperation beispielsweise mit anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen und Speditionen zu entwickeln und zu fördern.

Über den Stand und die Rahmenbedingungen des Wagenladungsverkehrs in Deutschland informierte an der VAP-Tagung Jürgen Tuscher, Geschäftsführer der Vereinigung der Privatgüterwagen-Interessenten VPI, Hamburg, welche 159 Mitgliedsfirmen mit rund 63'000 Eisenbahngüterwagen vereinigt. Die globalen Handelsströme stiegen, wobei ein zunehmender Ex- und Import über Häfen festzustellen sei. Der Umweltvorteil Schiene würde an Bedeutung zunehmen. Die Reduzierung des Lärms sei vorrangig. Das grösste Wachstumspotenzial liege im Intermodal-Bereich. Auch der konventionelle Wagenladungsverkehr sei ein Wachstumsmarkt. Der Bund wolle den Anteil des Schienengüterverkehrs an der Modalverteilung erhöhen. Ohne Schienengüterverkehr in der Fläche (Einzelwagenladungsverkehr) gebe es keine Verbesserung des Modal Splits zu Gunsten des Schienengüterverkehrs, hielt Tuscher fest.

Zum Thema Wagenladungsverkehr und Regulierung in der EU sprach Gerhard Troche, DG MOVE – Rail Transport and Interoperability, Europäische Kommission, Brüssel. 30 Prozent des gesamten Schienengüterverkehrs würden im Wagenladungsverkehr abgewickelt. Der Wagenladungsverkehr habe ein grosses Wachstumspotenzial. Dazu brauche es aber gezielte Investitionen in die Infrastrukturen wie Umschlagseinrichtungen, Industriegeleise, diskriminierungsfreien Zugang zu den Anlagen und Innovationen im Rollmaterial wie Mehrstromlokomotiven etc. Die EU-Kommission bereite Vorschläge vor für die Schaffung von 750m langen Güterzügen und die Erhöhung der Achslasten.

Jürg Lütscher, Chef Sektion Zulassungen und Regelwerke, Bundesamt für Verkehr BAV, äusserte sich an der VAP-Tagung zur Umsetzung der EU-Pakete. Dabei stehe die massgeschneiderte Lösung Schweiz im Vordergrund. Grundsatz sei, dass der Eisenbahnverkehr frei über die Grenzen rolle und die Bahnsysteme technisch harmonisiert würden. Der Bund sehe das Normalspurnetz der Schweiz als Teil des europäischen Schienennetzes. Vormals integrierte Bahnen – so Lütscher - sollen durch mehrere unabhängige Unternehmen abgelöst werden wie Halter, Eisenbahnverkehrsunternehmen, Hersteller, Prüfstellen und Sicherheitsbehörden. Ausländische Bewilligungen würden auch von der Schweiz anerkannt und Zulassungsprozesse gegenseitig abgestimmt. Daraus resultierte unter anderem das Fahrzeugregister CH (www.rollingstock.ch). Schweizer Kompetenzen würden auch im EU-Raum anerkannt.

Über die Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID) sprach Philippe Laluc, Technischer Leiter, ATIR-RAIL, Paris. Unter der Leitung des Zentralamtes für den internationalen Eisenbahnverkehr (OTIF) werde dieses Regelwerk immer weiter entwickelt. Das OTIF vereinige 47 Staaten mit 250 000 km Eisenbahninfrastruktur. Die Gesetzesarbeit erfolgte in Absprache mit der UNO und der EU. Bei den Kesselwagen beispielsweise würden Pflichten des Befüllers und des Entladers genau definiert. Auch gelten Vorschriften, welche Stoffe in welchen Transportgefässen erlaubt seien. Ein Tank müsse einer Explosion standhalten, wenn auch Verformungen des Tanks zulässig seien.

Zum Status von LL-Sohlen, der Zulassung und weiteren Entwicklungen bei der Lärmbekämpfung von Güterwagen sprach Dietmar Gilliam, Leiter Zulassung und Sanierung, AAE. AAE mit Sitz in Baar ist mit 30'000 Wagen Marktführer für die Vermietung von Standard-Eisenbahngüterwagen und bei der Güterwagen-Instandhaltung in Europa. Im Gegensatz zu Grauguss-Bremssohlen würden K- und LL-Sohlen weniger Lärm verursachen, hätten aber mehr Verschleiss. Verbundstoff-Bremsklotzsohlen würden im Gegensatz zu Grauguss-Bremsklotzsohlen aus einer Mischung von bis zu 25 verschiedenen metallischen und organischen Werkstoffen hergestellt. Jede Mischung sei herstellerspezifisch und daher sei jede Sohlensorte als eigenständiges Produkt zu betrachten, führte Gilliam aus. Weil die heute im Vordergrund stehenden LL-Sohlen die Life-Cycle-Costs (LCC) beim Einsatz der Wagen in die Höhe treibe, müsse für die 2. Generation von Verbundstoff-Bremsklotzsohlen der Radverschleiss im Focus der Entwicklung stehen. Da die Absatzzahlen – so Gilliam - begrenzt seien, was die Amortisation der relativ hohen Entwicklungskosten schwierig mache, wären staatliche Unterstützungsprogramme hilfreich. Verschiedene Forschungsprojekte seien im Gang.

Zum Stand der Lärmsanierung der Eisenbahnen aus Sicht der Schweiz referierte an der VAP-Tagung Rudolf Sperlich, Stv. Leiter Abteilung Infrastruktur im Bundesamt für Verkehr. Ziel des Massnahmenpakets sei es, bis 2015 einen Schutz für mindestens 2/3 der betroffenen Bevölkerung zu erreichen. Bis Ende des letzten Jahres seien Lärmschutzwände über eine Länge von 210 km gebaut und 27'000 Schallschutzfenster eingebaut worden. Europaweit würden heute bei einem Bestand von 600'000 Güterwagen noch immer 90 Prozent mit lärmigen Grauguss-Bremssohlen verkehren. Bis 2035 soll dieser Prozentsatz mittels Sanierung bestehender sowie neuer Güterwagen mit Verbundstoff-Bremssohlen auf ca. 20 Prozent sinken. In der Schweiz werde die Grauguss-Bremssohle ab 2020 verboten. Bis 2020 seien im Transit durch die Schweiz keine lauten Güterwagen mehr erlaubt. Aus dringenden Gründen könne der Bundesrat die Frist bis 2022 verlängern. Sperlich unterstrich, dass die Finanzierung der Umrüstung allein über den Trassenpreis-Lärmbonus der Schweiz innert 6 Jahren möglich sei. Der Lärmbonus mache 5 bis 10 Prozent des Trassenpreises aus. Der Lärmbonus für Güterwagen mit Verbundstoffsohlen sei ab 2013 verdoppelt worden. Einräumen musste Sperlich, dass der hohe Anteil lauter ausländischer Güterwagen die Wirkung der Massnahmen in der Schweiz begrenze. Der lärmabhängige Trassenpreis in der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden würden die Umrüstung und Betriebskosten unterstützen, hielt Sperlich abschliessend fest.