Im Fokus des heutigen Bahngipfels der Deutschen Bahn und des Freistaats Thüringen in Erfurt stand vor allem die immer näher rückende Fertigstellung der künftigen Hochgeschwindigkeitsstrecke Nürnberg–Erfurt–Leipzig/Halle–Berlin (Verkehrsprojekt Deutsche Einheit, VDE Nr. 8) sowie der künftige ICE–Knoten Erfurt. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, Dr. Rüdiger Grube, haben sich während des rund zweistündigen Spitzengesprächs gemeinsam zu verschiedenen Bahnthemen sowie zu zentralen Fragen im Zusammenhang mit dem Bau, mit der für 2017 geplanten vollständigen Streckeninbetriebnahme und den sich für den Freistaat ergebenden wirtschaftlichen Perspektiven verständigt.

„Die ICE-Strecke ist für uns Thüringer in mehrfacher Hinsicht eine historische Chance", betonte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. „Thüringen wird die ‚schnelle' Mitte Deutschlands – das wird auf die Wirtschafts- und Kulturregion Thüringen in ganz neuer Weise ausstrahlen. Ich verspreche mir von dieser verkehrsgünstigen Lage erhebliche wirtschaftliche Impulse für ganz Thüringen und den gesamten mitteldeutschen Raum. Denn Thüringen wird nach 2017 mit dem ICE-Knoten Erfurt feste Station auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Berlin und München, die auch Bestandteil des Transeuropäischen Netzes zwischen Skandinavien und Italien sein wird. Genau hier werden wir mit unserer Landesentwicklung ansetzen und die Fähigkeiten Thüringens stärken und vorantreiben, die sich besonders mit unserer neuen verkehrsstrategischen Lage verbinden lassen", so die zentrale Botschaft Lieberknechts. „Aber auch aus infrastruktureller Sicht profitiert ganz Thüringen, denn die ICE-Strecke funktioniert nur im Zusammenspiel mit einer verkehrstüchtigen Eisenbahninfrastruktur in ganz Thüringen, die es jetzt weiter auszubauen gilt."

„Die Bauarbeiten an der Neu- und Ausbaustrecke liegen, trotz aller Herausforderungen, voll im Plan. Die Inbetriebnahme der Gesamtstrecke im Jahr 2017 und die Inbetriebnahme des Abschnitts Leipzig–Erfurt im Jahr 2015 sind nach wie vor unser erklärtes Ziel", versicherte DB-Chef Grube. Gleichzeitig treibt die Deutsche Bahn den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur im Freistaat Thüringen mit großem Nachdruck weiter voran. Grube verwies in diesem Zusammenhang auf Milliardeninvestitionen im Freistaat: „Allein von 2012 bis 2016 investiert die Deutsche Bahn rund 1,4 Milliarden Euro in den Ausbau der Schieneninfrastruktur in Thüringen. Der Infrastrukturausbau erschöpft sich jedoch nicht im Thema VDE8. Vor allem die Zubringerstrecken für den ICE–Knoten Erfurt stehen genauso im Fokus der gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Freistaat und DB. Dazu gehören beispielsweise die Mitte-Deutschland-Verbindungn (MDV) oder die Strecke Erfurt–Nordhausen. Damit lassen sich die Potenziale der VDE 8 und des entstehenden ICE-Knotens Erfurt optimal nutzen und die Angebote für die Reisenden verbessern." Zwischen 2007 und 2011 beliefen sich die Infrastrukturinvestitionen in Thüringen auf 1,6 Milliarden Euro.

Ein zentrales Thema auf dem Bahngipfel war in diesem Zusammenhang der zweigleisige Ausbau der Mitte-Deutschland-Verbindung und die Modernisierung der Bahnhöfe Jena West und Jena Göschwitz. Grube: „Die Herstellung der Zweigleisigkeit auf der MDV zwischen Weimar und Stadtroda ist zentrale Voraussetzung für leistungsstarke Zubringerverkehre von und nach Erfurt. Das Thema ist bei uns im Hause Chefsache. Derzeit laufen für alle Bauabschnitte die Planrechtsverfahren. Für zwei Bauabschnitte liegt das Baurecht bereits vor. Die notwendige Finanzierungsvereinbahrung mit dem Bund ist zugesagt und soll bis Ende 2012 abgeschlossen werden." Bereits im vergangenen Jahr hatte die DB mit vorgezogenen Bauarbeiten an vier Eisenbahnüberführungen in Taubach und Mellingen begonnen. Hier investiert die DB rund vier Millionen Euro. Bis zur Inbetriebnahme der VDE 8 soll die MDV weitgehend zweigleisig ausgebaut sein, um deutlich mehr Züge als bisher in kürzerer Reisezeit, insbesondere von Jena über Weimar nach Erfurt, fahren zu können.

Ein weiteres wichtiges Projekt ist auch die Sanierung der Strecke Plaue-Ilmenau, die noch im Juli 2012 beginnt. Rund 13 Millionen Euro fließen bis Ende 2013 in die Erneuerung des 19 Kilometer langen Abschnitts, darunter auch mehr als eine Million Euro aus Mitteln des Freistaats Thüringen. Darüber hinaus sicherte die Deutsche Bahn umfangreiche Instandhaltungsmaßnahmen zu, beispielsweise auf den Strecken Eisenach-Eisfeld oder Orlamünde-Pößneck. Mit dem Ziel, die Qualität der Betriebsführung zu verbessern, errichtet die DB in den nächsten Jahren außerdem auf zahlreichen Regionalstrecken moderne Stellwerkstechnik und treibt so die Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik im gesamten Freistaat weiter voran. Noch in diesem Jahr beginnen die Neu- und Ausbauarbeiten an den Verkehrsstationen Apolda und Zeulenroda, um die Verknüpfung der Verkehrsträger weiter zu optimieren.

Christian Carius, Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr, stellte fest, dass alle beteiligten Partner seit dem vergangenen Bahngipfel im Juni 2011 bereits ein gutes Stück vorangekommen seien: „Damit möglichst viele Regionen im Freistaat dauerhaft vom ICE-Knoten profitieren, treibt mein Haus jetzt ein integriertes Verkehrskonzept für den Freistaat Thüringen voran. Indem wir konsequent unseren Nahverkehr mit dem ICE-Knoten Erfurt vertakten, können die Fahrzeitgewinne aus dem künftigen Hochgeschwindigkeitsverkehr von den Neubaustrecken auch in die umliegenden Regionen Thüringens weiter gegeben werden. Unbedingter Bestandteil des Verkehrskonzeptes ist die schnelle Anbindung der Städte Jena, Gera und Weimar."

Neben der künftigen verkehrlichen Bedeutung nimmt der Aus- und Neubau schon heute für die regionale Wirtschaft einen hohen Stellenwert in der Region ein. Allein in Thüringen sind gegenwärtig mehrere tausend Menschen auf den Baustellen der VDE 8 beschäftigt. Zahlreiche mittelständische Unternehmen aus der Region sind direkt oder als Subunternehmer am Projekt beteiligt. Alle Bauarbeiten sind auf die Teilinbetriebnahme 2015 bzw. die vollständige Inbetriebnahme 2017 ausgerichtet. Zwischen Ebensfeld und Erfurt befinden sich derzeit rund 22 Tunnelbauwerke mit einer Gesamtlänge von 41 Kilometern und 29 Talbrücken mit rund 12 Kilometern Länge im Bau oder sind rohbaufertig. Zwischen Erfurt und dem bereits fertig gestellten Abschnitt bei Gröbers (Saalekreis) sind derzeit mehr als 100 Kilometer Strecke mit drei Tunneln und sechs Talbrücken komplett im Bau. Darüber hinaus wächst die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Westen nach Osten stetig in den Eisenbahnknoten Erfurt hinein. Erst über Pfingsten hatte die DB einen entscheidenden Bauabschnitt abgeschlossen und mehr als 12 Kilometer Gleis, 47 Weichen und 50 Signale in Betrieb genommen. Damit hat die DB sowohl im Erfurter Knoten als auch auf der Strecke einen wichtigen Meilenstein erreicht.

Mit Blick auf die Zuständigkeit seines Hauses für die Landesentwicklung Thüringens informierte Minister Carius zu ersten Ergebnissen einer Studie zu den sich aus dem ICE Knoten ergebenden Potentialen für den Freistaat. Erstes greifbares Ergebnis war die Absichtserklärung zur Flächenentwicklung im Bahnhofsumfeld Erfurt, die der Freistaat Thüringen und die DB gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Erfurt, Andreas Bausewein, heute unterzeichnet haben. Ziel der Partner ist es, die immobilienwirtschaftlichen Chancen im Zusammenhang mit der Entwicklung des ICE-Knotens Erfurt zu ergreifen. So wollen DB und Stadt bei der Flächenentwicklung für die sogenannte „ICE-City" kooperativ zusammen arbeiten. Das Leitbild „ICE-City" war vom Erfurter Stadtrat bereits beschlossen worden. Konkret haben DB und Stadt Erfurt vereinbart, entsprechende Ressourcen einzusetzen, um die erforderlichen städtebaulichen und immobilienwirtschaftlichen Entwicklungen im Bereich der „ICE-City" zu initiieren sowie eine Brachflächenentwicklung anzustoßen. So soll beispielsweise im Bereich des „Neuen Schmidtstedter Tors" die städtebauliche Voraussetzung für einen eigenständigen und architektonisch hochwertigen Standort entstehen. Beide Seiten erklärten übereinstimmend, in den nächsten Monaten die Entwicklung dieses Quartiers auf den Weg zu bringen. Dazu gehört unter anderem die Schaffung eines geeigneten Bau- und Planrechts für potenzielle Baulandflächen sowie die Vermarktung und Mobilisierung der Grundstücksflächen an geeignete Unternehmen und Investoren.