Die Schienen-Control ist Mitglied der 2011 gegründeten Plattform der unabhängigen Eisenbahnregulierungsbehörden mit dem Namen Independent Regulators' Group-Rail, kurz IRG-Rail. Gemeinsam mit den weiteren 20 Mitgliedern nimmt sie wichtige Aufgaben in der internationalen Zusammenarbeit wahr, dazu gehört auch die Marktbeobachtung.

Arbeitsschwerpunkt Marktbeobachtung im Netzwerk der Bahn-Regulierungsbehörden
IRG-Rail setzt sich für die Vereinheitlichung der Marktzugangsbedingungen in allen Ländern ein, damit kein Land seinen eigenen Markt abschottet, jedoch selbst in einem anderen Land mit einem Bahnunternehmen anbietet. Schienen-Control-Geschäftsführerin Mag. Maria-Theresia Röhsler, LL.M., MBA erklärt: „Wir Regulatoren engagieren uns bei IRG-Rail dafür, dass EU-weit die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb im Schienenverkehr angeglichen werden und die Schienenmaut ähnlich ausgestaltet wird. Die Mitglieder tauschen Erfahrungen aus, von denen besonders neu hinzukommende Länder profitieren und die insgesamt zu einer Stärkung der Regulierungsbehörden beitragen". Das Netzwerk erarbeitet des Weiteren bei Regelungen mit Gestaltungsspielraum gemeinsam Interpretationen für die Praxis und spricht gegenüber der EU-Kommission mit einer Stimme. Der wichtige Themenbereich Marktbeobachtung wurde nun im Rahmen einer eigenen Arbeitsgruppe untersucht und auf ein einheitliches Niveau gebracht.

Schienen-Control erstellt mit Kollegen den ersten Marktbericht
Im Februar 2013 wurde erstmals der Marktbericht der IRG-Rail veröffentlicht, der sich mit den Ergebnissen des Jahres 2011 im Bahnsektor befasst. Dieser internationale Bericht erscheint rund ein halbes Jahr nach dem Tätigkeitsbericht der Schienen-Control, da die Erhebungen zur Marktentwicklung in einzelnen Mitgliedstaaten zu einem späteren Zeitpunkt als in Österreich erfolgen. In der Vergangenheit wurde die Marktbeobachtung von den Regulierungsbehörden in ungleicher Tiefe und Qualität vorgenommen, was zum Teil auch durch die unterschiedliche nationale Gesetzeslage bedingt war. Die Arbeitsgruppe der IRG-Rail hatte das Ziel, die Vorgehensweise zu vereinheitlichen, um vergleichbare Zahlen zur Marktentwicklung zu erhalten.

Gemeinsame Kriterien sichern die Vergleichbarkeit der Zahlen
Die Mitglieder der Arbeitsgruppe verständigten sich auf eine einheitliche Liste von Indikatoren, welche das Marktgeschehen abbilden sollen. Außerdem wurden für diese Indikatoren genaue Definitionen festgelegt, um die Vergleichbarkeit sicherzustellen. Abweichende Begriffsbestimmungen in statistischen Publikationen hatten bisher einen Zahlenvergleich deutlich erschwert.
Die Indikatoren beziehen sich insbesondere auf Fragen zu den Themen Wettbewerb und Schienenmaut. Im Sommer 2012 wurden die Daten erhoben. Neben der quantitativen Datensammlung führte IRG-Rail auch eine qualitative Marktbeurteilung mithilfe einer Befragung der Eisenbahnunternehmen durch. Ähnliche Befragungen gab es bisher nur in Österreich von der Schienen-Control und in Deutschland von der Bundesnetzagentur.

Österreich ist mit 27 aktiven Eisenbahnunternehmen gut aufgestellt
Ein interessanter Aspekt bei der internationalen Darstellung ist die Anzahl der in einem Land tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen. Für diesen Indikator liegen seit 2009 vergleichbare Zahlen vor. Die mit Abstand meisten Eisenbahnverkehrsunternehmen gibt es in Deutschland, es sind 315. Dort verfügen auch zahlreiche Anschlussbahnbetreiber (Anschlussbahnen: Private Gleisinfrastruktur, die direkt in ein zu belieferndes Unternehmen hineinführt) über Lizenzen selbst zu fahren, auf Langstrecken verkehren jedoch deutlich weniger Unternehmen. Polen weist 67 Bahnen auf, das sind ebenfalls verhältnismäßig viele. Hier verantworten die Regionen den Personennahverkehr, was zur Gründung zahlreicher regionaler Verkehrsunternehmen im Besitz der Verwaltungsbezirke (Wojwodschaften) geführt hat. In Österreich sind 27 Bahnen aktiv, eine für die Größe des Landes relativ hohe Zahl. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen verzeichneten seit 2009 im Großteil der Länder einen Zuwachs.

Länder verrechnen zwischen Null und 13 Euro Schienenmaut pro Zugkilometer
Der Bericht beziffert die durchschnittliche Schienenmaut je Zugkilometer in den verschiedenen Ländern. Röhsler: „Internationale Vergleiche erfolgten bisher meist auf Basis von Modellzügen mit bestimmten Eigenschaften. Diese berücksichtigen jedoch keine nationalen Eigenheiten. Im vorliegenden Marktbericht wird die tatsächlich erzielte Schienenmaut den tatsächlich gefahrenen Zugkilometern gegenübergestellt und die durchschnittliche Gebühr pro Zugkilometer berücksichtigt, getrennt nach Güter- und Personenverkehr." Verglichen mit anderen Ländern entstehen in Österreich im Güterverkehr verhältnismäßig hohe Gebühren – 4,5 Euro je Kilometer –, im Personenverkehr sind sie eher unterdurchschnittlich – 2,3 Euro je Kilometer. Das Gebührenniveau im Güterverkehr könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass Österreich auf den stark befahrenen Transitstrecken am Brenner und entlang der Donau eine teurere Schienenmaut einhebt. Andererseits spricht dies auch für grundsätzlich gut ausgelastete Güterzüge. In Estland ergibt sich beispielsweise eine sehr hohe Schienenmaut, da der Güterverkehr auf den Breitspurstrecken ein schweres Zuggewicht aufweist (13,1 Euro je Kilometer). Frankreich wiederum verfügt über viele Hochgeschwindigkeitsstrecken für den Personenverkehr, deren Benützung teurer verrechnet wird. Bei höherem Gewicht und bei größerer Geschwindigkeit der Züge, müssen die Strecken hochwertiger ausgestattet sein und deren Wartung ist aufwendiger.

Marktbericht zeigt Österreich unter den Top-Ländern der Bahn-Vielfahrer
Im Personenverkehr ist die je Einwohner und Jahr mit der Bahn (ohne U-Bahn) zurückgelegte Strecke eine interessante Vergleichszahl. Die Schweiz kann mangels konkreter Angaben nicht abgebildet werden, sie hat allerdings das beste Ergebnis (rund 2.000 Kilometer, Quelle Website SBB). Unter den übrigen Ländern führt Frankreich mit 1.418 Kilometer knapp vor Österreich mit 1.295 und Schweden mit 1.219. In Frankreich ist das Ergebnis vor allem auf das gut ausgebaute Hochgeschwindigkeitsnetz zurückzuführen, in Schweden bewirkt die langgezogene Landesform den hohen Wert. Das verhältnismäßig dichte Zugangebot in Österreich wird hier entscheidend zum positiven Ergebnis beitragen. Auffällig sind die niedrigen Werte in mittel- und osteuropäischen Ländern wie Kroatien, Griechenland, Mazedonien, Polen und Slowenien. Die Eisenbahnen haben dort in den letzten zwanzig Jahren gegenüber dem Individualverkehr stark an Bedeutung verloren.

Der Personenverkehr in Österreich finanziert sich zur Hälfte aus Ticketverkäufen
Der Marktbericht bildet des Weiteren die Quelle der Erlöse im Personenverkehr ab. Es werden die direkten Erlöse aus dem Ticketverkauf und die Abgeltungen für gemeinwirtschaftliche Leistungen einander gegenübergestellt. Die gemeinwirtschaftlichen Zahlungen betragen in Finnland 10 Prozent und sind damit am niedrigsten. Auch in Frankreich ist der Anteil der Zahlungen aus öffentlicher Hand gering (23 Prozent). Frankreich verfügt über viele Hochgeschwindigkeitszüge, die eigenwirtschaftlich betrieben werden. Die Tickets sind entsprechend teurer. In Ungarn sind diese Zahlungen am höchsten und machen 68 Prozent aus. Österreich liegt wieder im Mittelfeld, die Erlöse stammen zu 49 Prozent aus Zahlungen für gemeinwirtschaftliche Leistungen und zu 51 Prozent aus Ticketverkäufen.

Marktanteil der Mitbewerber von der Art des Güterverkehrs abhängig
Im Schienengüterverkehr ist vor allem der Marktanteil der Mitbewerber interessant, wobei als Vergleich die Verkehrsleistung in Form von Nettotonnenkilometern dient. „Die Liberalisierung ist im Güterverkehr weiter fortgeschritten als im Personenverkehr. Formal ist der Güterverkehr in allen Ländern liberalisiert, tatsächlich gibt es aber noch nicht in allen Ländern Mitbewerber. Das ist zum Teil auf schlechte Rahmenbedingungen, zum Teil aber auch auf die aktuelle wirtschaftliche Situation des Güterverkehrs zurückzuführen", so Röhsler. In Kroatien, Finnland, Griechenland und Mazedonien gab es 2011 noch keinen privaten Güterverkehr. Österreich liegt beim Marktanteil der Mitbewerber im hinteren Feld, was daran liegt, dass in Österreich der Einzelwagenverkehr (Flächenbedienung = Transport einzelner Güterwaggons auf der Schiene, bei dem Waggons mit verschiedenen Versendern und Empfängern in einem Zug zusammengefasst werden), im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, eine große Rolle spielt. Dieses Segment wird fast ausschließlich vom Marktführer betrieben, weil dafür ein Logistiksystem notwendig ist, das unter anderem nur mit einer gewissen Mindestmenge funktioniert. Der Einzelwagenverkehr ist aber auch ein Grund für den hohen Anteil der Bahn am Modal Split in Österreich (rund 33 Prozent im Vergleich zu rund 16 Prozent im EU-Schnitt). Betrachtet man in Österreich nur den Ganzzugverkehr, betrug 2011 der Anteil der Mitbewerber daran rund 21 Prozent. Die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb sind laut Liberalisierungsindex 2011 in Österreich gut (Gruppe 1: Fortgeschrittene Marktöffnung). In anderen Ländern konnten die Mitbewerber aufgrund der starken Bedeutung des Ganzzugverkehrs (Punkt-Punkt-Verkehr = Transport von Güterzügen, die vom Verlade- zum Entladepunkt als Einheit ohne Zwischenhalte verkehren; eignet sich insbesondere, um Ladegut in großen Mengen zu transportieren) erhebliche Marktanteile erzielen. In Österreich betrug 2011 der Anteil der Mitbewerber beim Ganzzugverkehr rund 21 Prozent. In Estland und Großbritannien ist der Anteil am höchsten und liegt bei über 50 Prozent. Höhere Marktanteile haben die Mitbewerber etwa auch in Norwegen, in den Niederlanden und in Frankreich.
Dieser erste Marktbericht der IRG-Rail gibt einen Überblick über die Marktsituation des Jahres 2011 in den teilnehmenden Ländern. Der Bericht soll in Zukunft jährlich erstellt werden und wird dann auch einen Einblick in die Entwicklung in Form von Zeitreihen bieten.